Um aber das Pariser Ziel einer Begrenzung der weltweiten Erwärmung um 1,75 °C mit einiger Sicherheit (67%) zu erreichen, reicht dies nicht. Gemessen an dem Anteil an der Weltbevölkerung, müssten die deutschen CO2-Emissionen ab 2019 um 6% jährlich reduziert werden (siehe blauen Bereich in der Graphik).
Dies stellte Prof. Stefan Rahmstorf, Klimatologe und Abteilungsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam und von 2004-2013 Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) in seinem Blog (*1) fest.
Wie kann jeder dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen?
Gemäß Umweltbundesamt (*2) erzeugte Deutschland im Jahr 2016 909 Mio. t an Treibhausgasen (Kohlendioxid-Äquivalente).
Hierbei ist die Energiewirtschaft mit 37% der größte CO2-Verursacher gefolgt vom Verkehr mit 18%.
Beiden Sektoren ist gemeinsam, dass unwiederbringliche, fossile Rohstoffe verbrannt werden und so über Hunderte von Mio. Jahre gespeichertes CO2 schlagartig in die Atmosphäre freigesetzt wird.
Beiden Sektoren ist aber auch gemeinsam, dass es heute schon technische Alternativen gibt. Jeder kann hier etwas ändern:
In der Energiewirtschaft ist das zum einen die Wahl eines Ökotarifes für Strom. Der Unterschied von einem richtigen Ökotarif von einem regionalen Windkraftbetreiber (*3) zu einem Billigtarif (*4) tatsächlich nur 26,98 ct/kWh zu 26,13 Cent/ kWh, also 0,86 ct/kWh, d.h. 34,40 EUR pro Jahr an Mehrkosten bei einem Verbrauch von 4000 kWh pro Jahr.
Ein weiterer wichtiger Teil der Energiewirtschaft stellt die Heizung von privaten Wohnungen dar. Nach Zahlenmaterial des AGEB e.V (*5), einer Vereinigung der Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung und des Deutscher Braunkohlen-Industrie-Verein e.V. wurde in 2017 mehr als 60% der Wärme in privaten Haushalten durch das Verbrennen fossiler Rohstoffe erzeugt. Im Vergleich von 2017 zu 1990 hat sich der Energiebedarf trotz Dämmung und Energiespargeräten nicht verringert, sondern ist stattdessen um 2% gestiegen! Die angegebenen 2430 PentaJoule entsprechen 675.000.000.000 kWh und sind damit nur 11% geringer als der Energieverbrauch des gesamten Verkehrs in Deutschland.
Im Bereich Wärmeversorgung von privaten Haushalten gibt es daher viel zu tun. Alternativen sind gemäß Prof. Dr. Quaschning (*6) heute neben der Verbesserung der häuslichen Dämmung der Einsatz von Wärmepumpen mit Strom aus regenerativen Quellen, Sonnenkollektoren, Geothermie und u.U. durch Verwendung von Holzpellets möglich.
Einfacher ist die Energiewende im Bereich Verkehr. Hier gibt es heute schon Alternativen und jeder kann überprüfen, ob er nicht mehr zu Fuß gehen oder radeln kann. Im Bereich Radverkehr ist durch die Verbreitung der Elektrounterstützung und dem damit verbundenen ‚eingebauten Rückenwind‘ der mögliche Aktionsradius stark erweitert worden. Auch mit der Nutzung von öffentlichem Nahverkehr, Carsharingangeboten oder der Nutzung eines Elektroautos können die Kohlendioxidemissionen im Vergleich zur Nutzung eines Kraftfahrzeugs mit Verbrennungsmotor deutlich reduziert werden
Für all diese Bereiche gilt, dass ein schneller Wandel durch politische Maßnahmen unterstützt werden muss. Es fehlte bislang jedoch der ernsthafte, politische Wille. Diese Stagnation der letzten Jahre ist in dem Diagramm von Herrn Ramsdorf gut zu erkennen. Sie zwingt uns jetzt dazu, in der verbleibenden Zeit noch schnellere Veränderungen zu realisieren.
Der Anteil an Kohlendioxid in der Atmosphäre lag im Mai 2019 gemäß dem NOAC bei 411 ppm (*9) und steigt weiter an. Das ist 37% höher als der historisch höchste Wert der letzten 400.000 Jahren (9*). Damals gab es den Homo Sapiens noch nicht. Wir befinden uns also in „unbekannten Gewässern“.
Die anderen Sektoren im UBA-Bericht sind übrigens das verarbeitende Gewerbe (14% der C02-Emissionen 2016), Industrieprozesse (7%) und Landwirtschaft (7%). Deren CO2-Erzeugung muss auch reduziert werden. Aber das wird eine härtere Nuss.
Fun fact 1: Die 909 Mio. Tonnen an Treibhausgasen pro Jahr, die Deutschland 2016 erzeugte, entsprechen dem, was 2,7 Milliarden Menschen 24h am Tag pro Jahr durchs Atmen (*7) freisetzen.
Fun fact 2: Maßgeblichen Anteil an der Reduktion des CO2-Ausstoßes Deutschlands hatte gemäß Dr. Quaschning hierbei der Wegfall großer Teile von industrieller Produktion in den neuen Bundesländern ab 1990 (*8)
Fun fact 3: Das BMWi, also das Ministerium für Wirtschaft und Energie, verwendet als Quelle für eigene Darstellungen Daten des AGEB, einem Verein, für den sich auch der Verband der Braunkohleindustrie verantwortlich zeichnet.
Quellen:
*1) https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/wie-viel-co2-kann-deutschland-noch-ausstossen/
*2) https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/treibhausgas-emissionen/emissionsquellen
*3) Direktvertrag mit regionalem Anbieter von Windkraft in Kempen bei 4000kWh pro Jahr
*4) Internetsuche nach dem günstigsten Anbieter für Kamp-Lintfort bei 4000kWh pro Jahr
*5) AGEB: Daten und Fakten/Auswertungstabellen https://ag-energiebilanzen.de/10-0-Auswertungstabellen.html
*6) Prof. Dr. Volker Quaschning: Energiewende im Wärmebereich https://www.youtube.com/watch?v=S4wx9P_bU3Q
*7) https://www.globe.gov/explore-science/scientists-blog/archived-posts/sciblog/index.html_p=183.html
*8) Prof. Dr. Volker Quaschning („Scientists for Future“) – Jung & Naiv: Folge 418
https://www.youtube.com/watch?v=z3EoCKgzLo4 ab 7:00
*9) NASA: Global Climate Change/ Vital Signs of the Planet/CO2/Facts: Direkte Analyse Mauna Loa Observatory, Hawaii https://climate.nasa.gov/vital-signs/carbon-dioxide/
*10) NOAA Climate.gov, based on EPICA Dome C data (Lüthi, D., et al., 2008) provided by NOAA NCEI Paleoclimatology Program. Darstellung siehe 9*.
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